Schwangerschaft

Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. 
Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut.
Und so soll es sein. Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht aus der Puste. Das ist wichtig."
(Michael Ende 1973, Momo) 




 Schwanger sein, Vorfreude, Vorbereitung, ein Nest bauen. 

Nach der infausten Prognose für das Kind sind Vorfreude und Nest bauen erst einmal jäh in Frage gestellt. Aber auch in dieser Schwangerschaft darf und soll die Geburt liebevoll vorbereitet werden, zugeschnitten auf die Bedürfnisse des Kindes und der ganzen Familie. Auch jetzt darf ein Nest gebaut werden, das ganz persönliche Nest, das alle jetzt brauchen.

Kurz nach der Diagnose befinden sich fast alle Eltern zunächst in einem Schockzustand. Die Verbindung zum Kind ist nicht selten "wie abgeschnitten",  viele verspüren den Wunsch der Situation am besten irgendwie zu entkommen - was nicht möglich ist. Die vor einem liegenden Schwangerschaft erscheint unendlich lang und nicht zu bewältigen - wie den Alltag schaffen, was den Geschwisterkindern/Angehörigen/Freunden sagen, wie mit den Reaktionen auf den Bauch umgehen? Es ist eine lebensverändernde Situation, in die Eltern hier geraten und mit Sicherheit kein leichter Weg. Aber er kann bewältigt werden - mit Unterstützung und Vorbereitung. Wir können das deshalb mit Bestimmtheit sagen, weil viele Eltern diesen Weg schon gegangen sind und die Rückmeldungen in ihrer Gesamtheit als positiv zu bewerten sind.
Die unerträgliche Situation kurz nach der Diagnose ist nur vorrübergehend. Oftmals stellt sich nach einer gewissen Zeit (meist, wenn die Entscheidung für das Austragen getroffen wurde) eine ruhigere Phase ein und es kommt zu einem - sicher etwas anderen - Alltag. Auch jetzt wird es noch Rückschläge und sorgenvolle Tage geben, aber eben nicht ausschließlich.

Das persönliche Netzwerk schaffen
Es tut gut, sich in dieser Zeit mit Menschen zu umgeben, die einem guttun. Daneben ist es wichtig, sich auch fachlich begleiten zu lassen, um sich in der Situation sicher und gut vorbereitet zu fühlen. Das Netzwerk wird also aus verschiedensten Kontakten bestehen: der behandelnde Gynäkologe, eine Hebamme, die Entbindungsklinik/Palliativteam, eine psychosoziale Beratungsstelle, die eigene Familie, andere betroffene Familien, Freunde, uvm.

Schwangerschaftsvorsorge
Auch diese Schwangerschaft ist immer noch eine Schwangerschaft, die professionell begleitet werden sollte. Die Vorsorge dient ja auch der Gesundheit der Mutter und eventuell auftretende Besonderheiten (auch für die Geburt) können so berücksichtigt werden.

Hebammenbegleitung 
Eine Hebamme ist eine wertvolle Wegbegleiterin, sie steht der Mutter während der Schwangerschaft und Geburtsvorbereitung zur Seite, ggf. auch während der Gebrut (abhängig vom Entbindungsort) und versorgt sie im Wochenbett, körperlich wie seelisch. Jede Schwangere hat Anspruch auf eine Hebammenbegleitung.

Partnerschaft
Im Gespräch bleiben, auf dem gleichen Informationsstand bleiben. Am besten gemeinsam zu Terminen gehen, um sich austauschen und gegenseitig stützen zu können.

Geschwisterkinder  
Wenn schon Kinder vorhanden sind, stell sich die Frage, wie mit ihnen über die Schwangerschaft gesprochen werden soll. Grundsätzlich ist es so, dass Kinder spüren, wenn es den Eltern nicht gut geht. Es empfiehlt sich also mit ihnen offen zu sprechen, natürlich altersgerecht, damit sie verstehen, dass sie nicht die Ursache für die Belastung/Traurigkeit der Eltern sind. Es ist auch wichtig, ihnen eine gewisse Sicherheit und Zuversicht zu vermitteln. Eine professionelle Begleitung kann hier sehr hilfreich sein.

Bindung zum ungeborenen Kind
Auch in dieser Schwangerschaft ist es ganz elementar und wichtig, eine positive Bindung zum ungeborenen Kind aufzubauen oder wieder aufzunehmen. Die Bindung zum Kind ist die Grundlage für ein positives Schwangerschaftserleben und v.a. auch für den späteren Abschied.

"Die emotionale Haltung und Zugewandtheit werdender Eltern zu ihrem Kind
ist eine wesentliche Grundlage tragfähiger Entscheidungen und auch eine Voraussetzung,
Abschied nehmen zu können."
(Zernikow 2013)*

Erinnerungen
Gerade wenn die Lebenszeit des Kindes nur als sehr kurz eingeschätzt wurde, sind besondere Erlebnisse, Erinnerungsstücke und Rituale in dieser Schwangerschaft besonders wichtig. Gezielte Ausflüge, ein Urlaub, kleine Fundstücke, kreatives Arbeiten, Fotos und Videos - diese Dinge bilden eines Tages den Schatz an Erinnerungen an dieses Kind und unterstützen den Trauerprozess. Ein professionelles Schwangerschaftsshooting kann überlegt werden.

Sich Gutes tun
Selbstverständlich tut alles auch dem Kind gut, was der Mutter guttut. Sie darf sich also jetzt besonders viel gönnen: alles was Freude macht und Wohlbefinden erzeugt ist jetzt willkommen: Bewegung, Natur, Zweisamkeit, gutes Essen, Wellness, liebe Menschen. Es wird nicht an allen Tagen möglich sein, sich aufzuraffen, aber es lohnt sich immer, es jeden Tag neu zu versuchen.




  Zernikow B (2013): Palliativversorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Springer Verlag Berlin / Heidelberg, Seite 382f.